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aus WFA - WertermittlungsForumAktuell; Heft 2/2001

Lebenszyklus-Kosten-Bewertung von Gebäuden -

Eine veränderte Sicht auf die Kosten

 von Dipl.-Ing. Architekt Ulrich Fritsch

Die Bewertung von Lebenszyklus-Kosten eines Gebäudes - die umfassende Betrachtung entstehender Kosten eines Objektes in allen Lebensphasen - ist die grundlegende Voraussetzung für Gesamtwirtschaftlichkeitsanalysen von Immobilien und vielfältig nutzbringend einzusetzen. Neue Methoden der Kostenbewertung ermöglichen, frühzeitig eingesetzt, eine nutzungsorientierte Weichenstellung von Planungsentscheidungen und daraus resultierenden Kosten und dienen als wichtiges Instrument für die Kostenbewertung bestehender Gebäude.

1. Einführung

Baukosten spielen für die Bauherren, die Planer, die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Bauobjekten in den allermeisten Fällen eine große Rolle. Bei bestehenden Immobilien ist das Wissen um den aktuellen Wert von größter Bedeutung. In den Medien wird viel über kostengünstiges, schlankes Bauen berichtet und oftmals die zu hohen Kosten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hervorgehoben.

Unter Baukosten in diesen Fällen versteht man jedoch in der Regel lediglich die reinen Bauerstellungs- oder Bauinvestitionskosten, nicht jedoch auch die Kosten, die durch die Nutzung eines Objektes anfallen, wie z.B. die Kosten für die Reinigung, Wartung, Inspektion oder Instandsetzung von Gebäuden, deren Bauteilen und technischer Ausstattung.

 

 

 Abbildung 1:     Gebäude-Lebenszyklus - Lebenszyklus-Kosten (Quelle: IBF - AVA-Kostenplanung-EDV)

Eine wirklich aussagefähige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung muss jedoch zwingend die Lebenszyklus-Kosten (Bauinvestitions-, Baunutzungs-, Energie- und Rückbaukosten) eines Objektes zur Grundlage haben, wie die nachstehende Kostenbewertung einer Lackier- und Vorbehandlungsanlage aus der KFZ-Industrie verdeutlicht.

Abbildung 2:     Verteilung von Bauerstellungskosten und Baunutzungs- und Rückbaukosten einer Lackier- anlage - Untersuchung: IBF - AVA-Kostenplanung-EDV

Die Erfahrung zeigt, dass die Nutzungskostenanteile in einem Betrachtungszeitraum von 8 bis 10 Jahren die Höhe der Bauinvestionskosten erreichen oder wie dargestellt, bereits beträchtlich übersteigen können, und bei längeren Nutzungsintervallen, z.B. 25 Jahre, einen Anteil von ca. 80 bis 85 % an den Lebenszyklus-Kosten erreichen können. Trotzdem erhalten diese Kosten aber meist nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit von Bauherren und Architekten. Dies ist um so erstaunlicher, als z.B. bei Computersystemen, Maschinen und Fuhrparks oder anderen Produkten die „total costs of ownership” bereits seit längerem im Blickpunkt des Interesses stehen. Die deutlich höheren Summen bei gewerblichen Bauten (oft im dreistelligen Millionenbereich) werden dagegen mit eher überkommenen Methoden geplant, die nahezu ausschließlich auf die Bauerstellungskosten fokussieren. Nur eine frühzeitige Erfassung, Bewertung und Planung der gesamten Lebenszyklus-Kosten erlaubt aber eine nutzungsorientierte Planung und eine Ausschöpfung des erheblichen Optimierungspotenzials der gesamten Kosten eines Bauwerks.

Ein Blick auf die Verteilung der einzelnen Kostenarten der Baunutzungskosten gibt Aufschluss über die relevanten Leistungen und Bereiche, die bereits in der Gebäudeplanung berücksichtigt werden müssten.

Abbildung 3:     Projektbewertung nach GOBau - Verteilung Nutzungs- / Demontagekosten einer Lackier- anlage (Betrachtungszeitraum: 1 Jahr) - Untersuchung: IBF - AVA-Kostenplanung-EDV

Die kostenintensivsten Leistungen finden sich in dem untersuchten Projekt in der Unterhaltsreinigung und der Ver- und Entsorgung mit jeweils annähernd Anteilen von 40 %. Die Instandsetzungsleistungen verursachen noch einen Anteil von ca. 20 %. In diesen Bereichen lassen sich bei einer Planung unter dem Aspekt der Lebenszyklus-Kosten sicherlich die größten Optimierungspotenziale finden.

Warum aber findet eine systematische, lebenszyklusorientierte Kostenbetrachtung in der gängigen Baupraxis nahezu überhaupt nicht statt?

Ein Grund ist sicherlich in den den Planungsphasen zugrunde liegenden Normen, Richtlinien und Regelwerken zu finden. Die DIN 276 (Kosten im Hochbau) und die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure), zwei äußerst wichtige und bindende Grundlagen bei der Planung und Erstellung von Bauwerken, bieten Unterstützung und Regeln fast ausschließlich für die Bewertung der Bauerstellungskosten. Fehlende Bewertungsmethoden und Software-Instrumente und schließlich das heute noch in vielen Fällen fehlende Bewusstsein und Gefühl für die Bedeutung der Lebenszyklus-Kosten auf Seiten von Bauherren und Architekten stellen sicherlich weitere Gründe dar.

 

2. Methodik - Anforderung und Anwendung

Bei genauer Analyse der Lebenszyklus-Kosten und deren Ermittlung und Bewertung ergeben sich folgende Schlüsselanforderungen an Methoden und Werkzeuge, die geeignet sind, eine zielgerichtete Planung und Analyse der Lebenszyklus-Kosten einzelner Bauteil-Qualitäten oder gesamter Gebäude zu unterstützen:

1. Objektivität

  • Objektneutrale Datenpools (z.B. in Form von Qualitätsbeschreibungen von Bauteilen), um objektübergreifende Vergleiche und Auswertungen zu ermöglichen und damit Sicherheit in der Bewertung der Lebenszyklus-Kosten zu erzielen.

2. Transparenz

  • Nachvollziehbare, detaillierte Darstellung der erfassten Informationen, um Konsequenzen von Planungsentscheidungen vor oder während der Nutzungsphase jederzeit erkennen und verfolgen zu können.

3. Entscheidungsunterstützung

  • Simulationsmöglichkeiten (was wäre, wenn…), um die Auswahl von Bauteilen oder deren Wartung bzw. Pflege darstellen und optimieren zu können.

4. Flexibilität

  • Reaktionsmöglichkeiten auf Veränderungen von Gebäudeinformationen und Auswertungen über veränderte Projektzustände müssen durch die benutzten Werkzeuge und Methoden unterstützt werden.

5. DIN-Konformität

  • Berücksichtigung der relevanten DIN-Normen und Richtlinien.

6. Controlling-Eignung

  • Systemgestütztes, lebenszyklusbezogenes Projektcontrolling, um z.B. jederzeit aussagefähig hinsichtlich Mengen- und Kostengerüsten zu sein.

Eine Methode, die diese Anforderungen erfüllt, wird seit 1997 im Büro IBF - AVA-Kostenplanung-EDV entwickelt und im November 2000 im Rahmen des Wettbewerbs INNOVATIONEN 2000 (Auslober: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Immobilienmanager) unter der Bezeichnung GOBau (Gesamtheitliche Optimierung von Baukosten) erstmals öffentlich vorgestellt und mit einem Innovationspreis prämiiert.

Die Methodik GOBau basiert auf einer gebäudemodellbezogenen und bauteilorientierten Darstellung der relevanten Objektinformationen sowie einem projektneutralen Datenpool. Dieser beinhaltet sogenannte Sammelpositionen, in denen in strukturierter und auswertbarer Form die Erstellungs- und Lebenszyklusinformationen von Qualitäten einzelner Bauteile (z.B. Bodenbeläge) beschrieben werden.

Auf dieser Basis lassen sich unter anderem Kostenbewertungen und -gegenüberstellungen einzelner Bauteil-Qualitäten, Kostenbetrachtungen und Simulationen typischer Ausstattungsstandards von Nutzungseinheiten oder Räumen, z.B. Hotel- oder Krankenzimmer, Büroeinheiten, Verkaufsräumen oder von Gesamtgebäuden durchführen.

Ein anschauliches Beispiel aus der Praxis, die Bewertung unterschiedlicher Bodenbeläge in Erschließungszonen mit durchschnittlich 75 m2 Grundfläche, soll die Vorgehensweise dabei verdeutlichen.

In der Untersuchung wurden ein ableitfähiger, textiler Belag, ein versiegelter Natursteinbelag und ein Linoleumbelag, mit stark voneinander abweichenden Erstellungskosten, gegenübergestellt.

Für die einzelnen Bodenbeläge werden die Erstellungsmaßnahmen sowie die einzelnen, notwendigen Leistungen bezogen auf die Reinigung, Instandsetzung, Demontage erfaßt und kostenmäßig bewertet. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die in der Lebenszyklus-Kosten-Bewertung berücksichtigten Produkteigenschaften und Leistungen

 

 

textiler Belag ableitfähig

Natursteinbelag, versiegelt

Linoleumbelag

Nutzungsdauer geplant

25 Jahre

25 Jahre

25 Jahre

technische Lebensdauer

ca. 8 Jahre

ca. 100 Jahre

ca. 25 Jahre

Reinigungsmaßnahmen

 

 

 

Unterhaltsreinigung

Saugen

Feuchtwischen

Feuchtwischen

Reinigungsintervall

1 x täglich

1 x täglich

1 x täglich

Zwischenreinigung

Fleckentfernung

Pflegen

Pflegen

Reinigungsintervall

1 x monatlich

1 x wöchentlich

1 x wöchentlich

Grundreinigung

Schamponieren

Grundreinigen

Grundreinigen

Reinigungsintervall

1 x 2 Jahre

1 x 2 Jahre

1 x 2 Jahre

Instandsetzungsmaßnahmen

 

 

 

Renovierung

Ersetzen des Bodenbelags

Imprägnier., Kristallisieren

 

Renovierungsintervall

1 x 8 Jahre

1 x 15 Jahre

 

Demontagemaßnahmen

Ausbauen, Entsorgen

Ausbauen, Entsorgen

Ausbauen, Entsorgen

Demontageintervall

1 x 25 Jahre

1 x 25 Jahre

1 x 25 Jahre

Abbildung 5:     Lebenszyklus-Kosten-Bewertung von Bodenbelägen in Erschließungszonen
                        Untersuchung: IBF - AVA-Kostenplanung-EDV

Die Erstellungskosten wurden dabei für Lieferung und kompletten Einbau wie folgt angesetzt:

1. Textilbelag, ableitfähig                       :           ca.   85,00 DM/m2,

2. Natursteinbelag, versiegelt                 :           ca. 260,00 DM/m2,

3. Linoleumbelag                                  :           ca. 100,00 DM/m2.

Aus Sicht der reinen Bauinvestitionskosten ist es leicht nachvollziehbar, dass die Auswahl auf den ableitfähigen Textilbelag fallen dürfte. Eine Untersuchung der Lebenszyklus-Kosten zeigt jedoch eine deutlich veränderte Kostenentwicklung. Dieser Trend, in der Abbildung 6 dargestellt, basiert auf der möglichst umfassenden Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie z.B. technischer Lebensdauer von Bauteilen, funktionaler Lebensdauer oder geplanter Nutzungsdauer, Nutzungskontext, Reinigungsmaßnahmen /-kosten, Instandsetzungsmaßnahmen / -kosten und anderer mehr.

Abbildung 6:     Lebenszyklus-Kosten-Auswertung von Bodenbelägen in Erschließungszonen (ca. 75 m2 Grundfläche), Untersuchung: IBF - AVA-Kostenplanung-EDV

Betrachtet man lediglich die Erstellungskosten von z.B. textilem Belag und Natursteinbelag über die Gesamtgrundfläche (75 m) einer Erschließungszone, erscheint der textile Belag mit Bauinvestionskosten von 6.375 DM im Gegensatz zum Natursteinbelag mit ca. 19.500 DM als die bei weitem kostengünstigste Lösung. Die gesamtheitliche Betrachtung zeigt jedoch, dass die Kosten von Linoleum und textilem Belag, dem in der Anschaffung günstigsten, bereits nach einer Nutzungsdauer von einem Jahr ausgeglichen sind. Nach einer Betrachtungsdauer von mehr als zwölf Jahren übersteigen die Lebenszyklus-Kosten des textilen Belags sogar diejenigen des in der Anschaffung beträchtlich kostenaufwendigeren Natursteinbelages. In Zahlen ausgedrückt ergeben sich Lebenszyklus-Kosten beider Bodenbelagsqualitäten von ca. 36.000 DM nach einer Nutzungsdauer von 12 Jahren. Bezogen auf die maximale Betrachtungsdauer, in diesem Fall von 25 Jahren, betragen die Gesamtkostenaufwendung für den textilen Belag annähernd 70.000 DM, die Aufwendungen für den Natursteinbelag ca. 54.000 DM. Ein Ergebnis das zum Nachdenken anregt.

3. Einsatzmöglichkeiten von Lebenszyklus-Kosten-Bewertungen

Die Einsatzmöglichkeiten von Lebenszyklus-Kosten-Bewertungen, speziell von GOBau, sind vielfältig und sind hauptsächlich in den nachfolgend aufgelisteten Bereichen angesiedelt:

§         als planungsbegleitendes Instrument der Kostenplanung und des Kostencontrollings

§         als Instrument für alphanumerische Bestandsdatenerfassung und Analyse genutzter Objekte

§         als Instrument für die Wertermittlung von Bauteil-Qualitäten oder Gesamtobjekten§       

Idealerweise beginnt der projektbegleitende Einsatz in der Konzeptphase und erstreckt sich dann über die einzelnen Planungs- und Fertigungsphasen bis hin zur Nutzungsphase eines Objektes. Dadurch lässt sich eine lückenlose Dokumentation der geplanten und verwendeten Qualitäten und der daraus resultierenden Kosten erreichen. Zudem bietet diese Einsatzform die Möglichkeit von Kostensimulationen zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Sie unterstützt die Steuerung der Auswahl von Bauteil-Qualitäten und damit anfallender Kosten und vermeidet die oft fehlerbehaftete redundante Informationserfassung in unterschiedlichen Lebensphasen eines Gebäudes. Nicht zuletzt findet die beschriebene Methodik auch bei der Erfassung alphanumerischer Bestandsdaten, der Dokumentation und Zustandsbewertung existierender Bauteil-Qualitäten und in der Bestandsdatenverwaltung einen sinnvollen und wichtigen Einsatzbereich.

 

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Betrachtung der Lebenszyklus-Kosten von Gebäuden und Bauteilen erhöht verständlicherweise die Planungskomplexität und den Planungsaufwand. Eine frühzeitige Betrachtung der Lebenszyklus-Kosten jedoch trägt wesentlich zur Erhöhung der Planungssicherheit und Verbesserung der Planungsergebnisse aus wirtschaftlicher Sicht bei. Wie weitgehend bekannt, bieten die frühen Projektphasen ein Maximum an Beeinflussbarkeit von Entscheidungen; in diesen Phasen werden die entscheidenden Weichen für die spätere Nutzung und die dabei anfallenden Nutzungskosten gestellt. Im Bereich des Controllings werden über die erläuterte Methode die Grundlagen für ein aussagefähiges, entscheidungsorientiertes Controlling während des gesamten Lebenszyklus aufgebaut.

Diese Tatsachen und das stetig wachsende Bewusstsein, dass eine umfassende Betrachtung und ein umfassendes Management von Objekten bereits in frühesten Projektphasen einsetzen muss, führt auf direktem Weg zur Bewertung und Verfol­gung der Lebenszyklus-Kosten von Bauteilen oder gesamten Objekten über sämtliche Projektphasen. Auch die gesamte Baubranche, Bauherren und Nutzer werden, wie das anwachsende Interesse zeigt, zukünftig die fort­schrittlichen Ansätze nachhaltiger Kostenbetrachtung, die sich in anderen Bereichen und Branchen bereits seit längerem bewährt haben und selbstverständlich zum Einsatz kommen, nicht unberücksichtigt lassen und diese Möglichkeiten nutzen.

 

 

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